Flüchtlinge – Ich bin einer von ihnen

[This post is a bit off-topic to the rest of my blog, but it’s a topic of personal concern I want to share. It’s German first, English might follow soon]

Die neusten Ereignisse an Europas Grenzen berühren mich tief. Menschen fliehen aus ihrer Heimat auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben. Wenn nicht sogar einem Platz, der ihr pures Überleben ermöglicht.

Die Bilder gleichen sich – und sind doch so grundverschieden

Es war 1989, als meine Eltern sich entschlossen, die DDR zu verlassen und mit meinem Bruder und mir in die damalige BRD zu flüchten. Meine Geschichte ist also auch die eines Flüchtlings.

Der Weg ging über Ungarn und Österreich. Die Bilder und Schlagzeilen der Woche erinnern mich teilweise an das, was sich 1989 in den Botschaften Ungarns und der CSSR abspielte. Ein Unterschied allerdings ist der Kurs Ungarns. Er war damals weltoffen und trug zu einem nicht unerheblichen Teil zur späteren Wende bei.

Mein Bruder war damals 5, ich selber 12 Jahre alt. Wir haben nicht Hunger gelitten. Wir waren nicht arm. Wir waren in keiner lebensbedrohenden Situation. Wir Kinder haben damals sicherlich noch keinen Mangel verspürt. Es hätte noch ein paar Jahre gedauert, bis wir Selbstbestimmtheit, Privatsphäre und politische Freiheit entdecken und auch für uns fordern würden.

Heute sehe ich leidende Menschen, die durch Kriege und Armut gekennzeichnet sind, durch Verzweiflung getrieben. Menschen, die Wochen oder Monate über widrigste Routen in Angst um ihr Leben nach Europa und Deutschland geflohen sind.

Für meine Eltern war damals klar, dass sie den Rest ihres Lebens nicht in den dortigen Lebensverhältnissen verbringen wollten. Trotz oberflächlich guter privater Verhältnisse entschlossen sie sich, zu flüchten. Sie wollten *uns* das Leben in besseren politischen Verhältnissen ermöglichen und die Basis für ein humanes, nicht unterdrücktes Leben schaffen. Sie ließen damals fast alles zurück und riskierten das Leben unserer Familie für diesen Schritt.

So tun es auch heute Tausende. Weil in ihrem Land Krieg herrscht, teils schon über Jahre.

Solidarität

Sehr betrübt hat mich dabei die quälende Teilnahmslosigkeit unserer Regierung, die oder sogar Abwehr der Gesellschaft und der Politik. Zum einen über die Ursachen der Flüchtlingsströme und über den Umgang mit den Menschen. Lahme und späte Debatten, gar giftige Worte, die den Ton in Medien und Netzen vergiftet haben. Kein wirklicher Aufruf zu Solidarität. Dabei sind wir dazu verpflichtet. Moralisch und politisch.

Das Wort Solidarität klingt groß und ist es sicher auch. Für mich heißt es zusammen haltend, zusammen stehend für andere mit anderen. So ist meine eigene Auslegung.

Wir hätten damals, 1989, ohne Solidarität keinen Fuß auf den Boden bekommen. Es war aber nicht die Solidarität der Gesellschaft: Der tägliche Gegenwind war groß, das Umfeld um Wohnung, Schule, Arbeit der Eltern argwöhnisch und kalt. Selbst für uns als Deutsche, die gleiche Sprache sprechend, aus nur 600km Luftlinie entfernt.

Wie wird sich wohl ein Mensch aus einem Afrikanischen Land, Syrien oder dem Irak fühlen?

Hilfe wirkt vor Ort

Uns “Ossis” haben damals Kleiderspenden und ähnliche organisierte Aktionen für eine Grundausstattung sehr geholfen. Sie waren für viele essenziell für den Start, da sie mit nichts durch die Donau geschwommen sind und von Null anfangen mussten.

Es war dann besonders die Hilfe einzelner Familien, die uns weiter getragen hat. Die freundschaftliche, patenschaftliche Fürsorge über Monate hinweg hat uns wurzeln lassen und ein neues, selbständiges Leben aufbauen lassen.

Auch Jahre später sind wir Familien eng befreundet und ich bin sehr dankbar für die Unterstützung und Freundschaft.

Was können wir selber heute tun?

Ich habe einige Gedanken, die ich uns allen (einschließlich mir) ans Herz legen möchte. Du kannst Dich ja schrittweise von oben durch die Liste arbeiten, wie es Dir entspricht:

  • Bilde Dir Deine eigene Meinung durch verschiedene, unabhängige Medien. Spiegel, Tagesschau, Die Zeit usw. sind Medien, durch die Du auch viel Hintergrund zu tagesaktuellen Geschehnissen bekommst und Zusammenhänge selber herstellen kannst.
  • Versteck Dich nicht hinter Stammtischparolen. Hinterfrage sie und vor allem die Leute, die sich hinter ihnen verstecken. Meist sind sie zu schwach, um sich selbst ein differenziertes Bild zu verschaffen.
  • Versuch innere Grenzen gegenüber Fremdem abzubauen. Reise und lerne Menschen und Kulturen kennen (manchmal musst Du gar nicht weit reisen, sondern entdeckst etwas ganz Neues und Fremdartikes in Deinem Hinterhof). Meine Reisen haben mir viel gezeigt und Neugierig auf Andersartiges gemacht. Ich freue mich darüber, Anderes auch in Deutschland zu sehen (und das bezieht sich nicht auf den Besuch beim Inder um die Ecke!)
  • Empathie: Versuche, dich in die Lage eines Flüchtlings zu versetzen. Wo kommt er her? Was ist dort los? Was hat er hinter sich? Was würdest Du hoffen, wenn Du nach Europa kämest? Was würde Dir helfen?
  • Fang klein an zu helfen. Du kannst nicht alle Flüchtlinge glücklich machen. Das kann auch keine einmalige 50€ Spende. Erkundige Dich, wo in Deiner Umgebung Flüchtlinge aufgenommen werden. Wo kommen sie her? Was haben sie bereits schon und was nicht? Wo und wie wohnen sie (der Winter kommt!)? Wie ist die Hilfe bei Dir Lokal organisiert? Engagier Dich.
  • Komm mit den Leuten wenn möglich in Kontakt. Sprich mit ihnen, wenn es die Sprache zulässt. Vielleicht gibt es unter ihnen welche, die auch Deine Fremdsprachen sprechen. Hände und Füße gehen auch immer zur Verständigung. Einfaches Vokabular wird reichen bei dem, was die Menschen bewegt.

Meine eigene Erfahrung hat mir gezeigt, dass sich Flüchtlingshilfe nicht anonym in Lagern abspielen kann. Die sozialen Kontakte zur Außenwelt sind essenziell für Selbständige Menschen, für ein Miteinander. Nicht auf die Politik warten.

Hier sollen und müssen wir Bürger handeln.

One thought on “Flüchtlinge – Ich bin einer von ihnen

  1. Richtig so. Herausforderungen hin oder; Polarisierungen zum Trotz; die Gefahr des Ausnutzens in Kauf nehmend: wenn Menschen existenziell bedroht sind, dann bedeutet Helfen richtigerweise auch Mut und Opfer. Respekt vor den Politikern, die – im Nebel stochernd- im Zweifel die Grenzen offen halten. Wie jemand -die verkörperte Nächstenliebe schlechthin- vor langer Zeit sagte: “Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan”.

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