Selber machen macht glücklich

Echte Kerzen am Weihnachtsbaum, die Familie musiziert, Kinder packen selbst gebasteltes Holzspielzeug aus. Klingt schön, aber alt und kitschig? Zum Weihnachtsfest 2013 haben wir uns einen Teil dieser traditionellen Weihnacht zurück geholt und dabei entdeckt, wie es uns und die Zeit erstaunlich bereichert hat.

Grund genug, den Jahreswechselurlaub – entgegen meinen Plänen – mit einem weihnachtlichen Eintrag abzuschliessen. Er soll zum Nachmachen animieren, vielleicht kann er Dir ein wenig Stress bei den nächsten Vorbereitungen sparen.

Es wird gewichtelt

Einige Wochen vor Weihnachten kam das alljährliche Gefühl auf, mir endlich ernsthafte Gedanken über die Weihnachtsgeschenke machen zu müssen. Bisher ist es mir immer gelungen, für alle, die ich beschenken wollte, eine schöne Idee zu haben. Dieses Jahr allerdings hatte ich meine zeitlichen Probleme.

Es kam daher als sehr guter Vorschlag, dieses Mal zu wichteln. Wer das nicht spontan kennt, wird sich vielleicht dunkel an diese Tradition im Kindergarten oder in den ersten Schuljahren erinnern: Man bekommt eine Person per Los zugeteilt, der man etwas schenken darf oder muss. Man empfindet das immer anders; Meist abhängig davon, wen man gezogen hat und wie gut man die Person kennt und mag.
Klasse Idee, das auch in der Familie samt Schwiegereltern so zu machen, denn aus potenziell 11 zu Beschenkenden wird genau eine(r). Bei mir dann drei, denn meine Frau und mein Bruder wollte ich doch persönlich bedenken.

Wichtel basteln gerne

Das Reglement sah nicht nur vor, dass eine Person beschenkt werden sollte. Weiterhin sollten keine “Fertiggeschenke” gemacht werden. Lediglich die Grundbestandteile durften ­­­- wenn wirklich nötig – gekauft werden. Am besten, einem fiel etwas ein mit Dingen, die man ohnehin im Haus hatte.

Mein spontaner Gedanke dazu war: “Och nö. Wann denn nun auch noch basteln!?”

Erkenntnis 1: Eine Person bekommt mehr Fokus als 11

Ein enormer Vorteil des Wichtelbastelns: Man kann sich auf nur eine Person konzentrieren! Statt länglicher Produktlisten für amazon nur eine kurze Einkaufsliste. Nur ein Mensch und die entsprechende Zeit, sich um diesen kümmern zu können. Einiges Nachdenken war selbstverständlich nötig, aber es brachte mich auf die richtige Fährte: Meine Schwägerin (sie hatten wir in Frankreich zu “De Ferme en Ferme” besucht, was ich in einem anderen Beitrag beschreibe) sollte ein selbst gebundenes Notizbuch aus geschöpftem Papier, festem Einband und kreativem Dekor bekommen. Erst neulich hatte ich in einer Nürtinger Werkstatt ein gebundenes Fotoalbum gesehen. Das hat mich neugierig darauf gemacht, etwas Ähnliches selber zu fertigen.

Erkenntnis 2: Fördert Kreativität und handwerklichen Ehrgeiz

Am Anfang stehen die richtigen Materialien. Der lokale (und bei jedem Besuch chaotische) Papier- und Zeichenladen hatte das Papier mit der richtigen Stärke und Struktur, als auch die gewünschte Pappe. Der Einband sollte aus vorhandenen Stoffresten gestaltet und der Verschluss aus Gummiband und einem Ersatzknopf von Oma’s altem Sofa entstehen. Easy.

Stoffreste vom einjährigen Sohn sorgfältig ausgesucht
Stoffreste vom einjährigen Sohn sorgfältig ausgesucht

Nun mag man über die “Sendung mit der Maus” und “Galileo” sagen was man will. Durch solche Sendungen hat allerdings jeder irgendwann gesehen, wie ein richtiges Buch entsteht. Beispielsweise die Bibel oder Gesangsbücher, die in wochenlanger handwerklicher Kleinarbeit durch Mönche handgefertigt wurden. Vielleicht war es auch ein Exponat in der “Book of Kells” Ausstellung des Trinity College in Dublin, durch das ich den Bauplan im Unterbewusstsein hatte.

Mich packte jedenfalls der Ehrgeiz, dieses Notizbuch ohne eine extra Anleitung herzustellen, einfach auszuprobieren. Verblüffend ist, mit welchen Fragestellungen man beim ersten Exemplar konfrontiert wird! Hier ein Auszug:

  • Welches Material nutzt man zum Verbinden von Deckeln und Rücken? (Ich habe ganz klassisch Leinen und weissen Holzkleber gewählt.)
  • Wie viel Platz muss zwischen Deckeln und dem Rücken gelassen werden, damit sie frei beweglich sind? (Es sind einige Millimeter. Jedenfalls mehr als gedacht.)
  • Wie viele Blätter bindet man zu einzelnen Heften zusammen (Habe mich für 4 entschieden, was 16 beschreibbare Seiten ergibt.)
  • Wie viele der Hefte bindet man am besten in ein Notizbuch? (Zunächst wollte ich 5 nehmen, habe 4 dann aber für ausreichend empfunden. Zudem hat der Platz aus Punkt 2 nicht für mehr gereicht.)
  • Bindet man überhaupt die einzelnen Blätter zu Heften? (Habe ich zwar gemacht, hat sich hinterher aber als nicht nötig herausgestellt. Hier kann man Zeit sparen.)
  • Braucht man einen Verschluss und wenn ja, woraus? (Nein, man braucht keinen. Ein schönes Detail ist er aber. Eine Gummischlaufe und ein netter Knopf sind ein simpler Start.)

Mehrere Abende habe ich mit heller Begeisterung an diesem einen Werk gesessen, jedes Detail überlegt, überdacht und ausprobiert. Genau das hat aus einem reinen Weihnachtsgeschenk ein unerwartete Erfahrung gemacht.

Die Hefte sind im Buchrücken eingenäht, die blaue Verzierung trocknet.
Die Hefte sind im Buchrücken eingenäht, die blaue Verzierung trocknet.

Besonders für Menschen, die bei der Arbeit eher am Schreibtisch wirken, tut eine handwerkliche Arbeit immens gut. Machen, erschaffen, am Ende etwas in den Händen halten — immer wieder eine grandiose Befriedigung. Probier es doch auch mal aus!

Erkenntnis 3: Wieder mehr Heimlichkeit zur Weihnachtszeit

Während das Notizbuch ganz ohne Verheimlichung entstehen durfte, wollte ich meiner Frau etwas Eigenes basteln (trotz Wichtelei). Konnte mich dunkel erinnern, dass meine Eltern in meiner Kindheit Kerzen gegossen hatten. Das wollte ich nun selber ausprobieren. Höchste Geheimhaltungsstufe im Haus. Kerzenreste wurden das Jahr über gesammelt, Docht und Farbtabletten im Bastelladen gekauft und leere Klopapierrollen ausnahmsweise nicht weggeworfen.

Selbst gegossene KerzenDrei Kerzen mit unterschiedlichen Mustern zu gießen, dauert wegen der Schmelz- und Aushärtungsvorgänge seine Zeit. Auch die Lernprozesse nicht unterschätzen! Fehlschläge können bei so etwas nicht mit ⌘Z behoben werden. Du erinnerst Dich sicher an Deine Kindheit? Das eigene Zimmer für Bastelei zu sperren, war schon spannend. Die Küche nun zwei Abende zu blockieren, hat als Geheimprojekt schon auch mal wieder Spass gemacht. Ab und zu auszubrechen und solche Banalitäten wieder zu entdecken, bringt Leben zurück in die alltägliche Geschäftigkeit.

Erkenntnis 4: Der lokale Einzelhandel freut sich

In den vergangenen Jahren bestand mein Weihnachtseinkauf hauptsächlich aus Bestellungen bei den namenhaften Onlinehändlern, dem Verfolgen der Sendungen über die bekannten Apps und dem Stapeln der Pakete im Schrank. Am 23.12. dann einpacken. Der Buchladen hat mich nur gesehen, falls noch Geschenkpapier nötig war. Dieses Mal ging keine einzige Bestellung online raus!

Die Bastelzutaten gab es in zwei Läden in der Stadt, Bücher im entsprechenden Laden gegenüber. Bei günstig gewählter Einkaufszeit hat es sogar richtig Spaß gemacht, mit Leuten in der Stadt die Weihnachtsathomsphäre zu schnuppern. Sicher, für je weniger Leute man Geschenke braucht und je früher man sich Gedanken macht, desto besser (Tipp: Wichteln hilft).

Erkenntnis 5: Gesteigerte Vorfreude

Vor der Bescherung ist man ja besonders gespannt, ob das Geschenk dem oder der Beschenkten gefällt. Hat man etwas gekauft, wäre bei schlechtem Ausgang das Geld futsch oder der Kassenbon zwecks Umtausch von Nöten. Unschön.

Bei Selbstgebasteltem gibt es allerdings keinen Kassenbon. Die Spannung ist daher um so größer. Bei mir hat die Vorfreude, das Geschenk zu überreichen, weit das übertroffen, worauf ich als Beschenkter gespannt war.

Zudem gibt das Wichteln dem Ganzen einen besonderen Charme: Das typische “Was schenkt mir x dieses Jahr wohl wieder?” fällt ja weg. Man selber weiss nicht, von wem man etwas bekommt. Noch weiss der Beschenkte, daß er das Selbstgebastelte bekommen wird. Nur zu empfehlen!

Erkenntnis 6: Auspacken bekommt mehr Gemütlichkeit

Eine Plünderung des Weihnachtsbaumes haben wir dieses Jahr ausgesetzt. Auf jedes Wichtelgeschenk wurde der Name der Zielperson geschrieben, einer hat ein erstes Geschenk heraus gepickt und der Zielperson übergeben. Diese hat daraufhin das nächste Geschenk ausgesucht und somit ging das Auspacken reihum. Damit saß die komplette Familie zusammen und hat beim Auspacken mitgefiebert, gestaunt, angefasst. Sagenhafte Entschleunigung mit mehr Teilnahme an der ganzen Zeremonie!

Und nun? Weihnachten ist doch vorbei!

Wenn es immer noch nach Kitsch klingt, liegt es sicher daran, dass mittlerweile Januar ist und der Weihnachtsklimbim jetzt eine Ende haben muss (hat er hiermit). Dann auf Wiedervorlage im Oktober/November!

Klingt gut? Dann um so mehr auf Wiedervorlage im Oktober/November!

Würde mich interessieren, ob das bei Euch auch funktioniert. Falls Ihr Wichteln und/oder Selberbasteln in der Familie probiert habt oder probieren wollt — wie läuft’s bei Euch? Was funktioniert nicht und warum?

2 thoughts on “Selber machen macht glücklich

  1. merci gerrit, pour le super livre. j’ai été très content que c’etait toi mon Wichtel.

  2. Sehr gerne. Du siehst ja, wie sehr es Spass gemacht hat! Habe nur leider kein Bild mehr vom fertigen Buch gemacht. Magst Du mir noch eins schicken, damit ich es an den Post hängen kann?

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